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Arbeitsunfall am ersten Arbeitstag.

Der neu eingestellte Mitarbeiter tritt seine Arbeitsstelle an und erleidet sofort einen Arbeitsunfall. In einem in meiner Kanzlei aufgekommenen Fall hatte sich ein Arbeitnehmer am ersten Tag mit einem Messer in den Finger geschnitten und war daraufhin mehrere Wochen arbeitsunfähig erkrankt. Der Arbeitgeber ging davon aus, dass für ihn dadurch kein Problem entstehen könnte. Er staunte indes nicht schlecht, als die Krankenkasse des Arbeitnehmers anrief und um Erstattung des Krankengeldes für den ersten Arbeitstag bat. Muss der Arbeitgeber diese Zahlung leisten?

Wohl eher nicht. Die Krankenkasse hielt sich mit der Nennung einer Anspruchsgrundlage zurück und verfolgte den Anspruch dessen nach Ablehnung auch nicht weiter. Dennoch scheint die Frage, welche Leistungspflichten sich bei einem Arbeitsunfall am ersten Arbeitstag ergeben, eine rechtliche Würdigung Wert zu sein.

Bei einer Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers können, je nach Fallgestaltung, drei Zahlungsansprüche entstehen. Der Arbeitgeber kann für sechs Wochen zur Entgeltfortzahlung verpflichtet sein. Anschließend zahlt die Krankenkasse Krankengeld. Während des Entgeltfortzahlungszeitraums hat der Arbeitgeber ggf. einen Erstattungsanspruch gegen die Krankenkasse in Höhe des Krankengeldanspruchs des Arbeitnehmers nach dem Umlageverfahren (U1). Außerdem kann die Berufsgenossenschaft zur Zahlung von Verletztengeld verpflichtet sein, dass in gleicher Höhe wie das Krankengeld an dessen Stelle gezahlt wird.

Im vorliegenden Fall einer Arbeitsunfähigkeit am ersten Arbeitstag war der Arbeitgeber nicht in der Pflicht. Mit § 3 Abs. 3 EntgFG entsteht der Anspruch auf Entgeltfortzahlung erst nach vier Wochen ununterbrochener Betriebszugehörigkeit. Diese Voraussetzung war nicht erfüllt. Nun stellt sich bei einem Arbeitsunfall am ersten Tag die Frage, ob der verletzte Arbeitnehmer Anspruch auf Krankengeld von der Krankenkasse oder Verletztengeld von der Berufsgenossenschaft hat. Der Anspruch des Abreitnehmers auf Verletztengeld regelt § 45 SGB VII. Dort heißt es in Absatz 1 Nr. 2: „Verletztengeld wird erbracht, wenn Versicherte (…) unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Heilbehandlung Anspruch auf Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, (…) hatten.“ Die Berufsgenossenschaften haben hierzu eine ganze Zeit die Meinung vertreten, dass am ersten Tag noch kein Anspruch auf Arbeitsentgelt entstanden sei. Arbeitsentgelt ist meistens als rückwirkende Zahlung auf die vertragsgemäß erbrachte Leistung vereinbart. Der Anspruch auf Arbeitsentgelt entstehe damit erst im Folgemonat. Das ist natürlich Unsinn. Das Arbeitsverhältnis ist unstreitig geschlossen und nicht gelöst worden. Es begründet natürlich einen Anspruch auf Arbeitsentgelt im Sinne von § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII. Es ist ausreichend, wenn die Arbeitsunfähigkeit direkt am ersten Arbeitstag eine halbe Stunde nach Arbeitsbeginn eintritt, vgl. Urteil des BSG vom 19.8.2003, Az.: B 2 U 46/02 R.

Im vorliegenden Fall vertrat die Berufsgenossenschaft aber noch die Meinung, sie müsse erst ab dem auf den Unfalltag folgenden Tag leisten. Da sich normalerweise die Zahlung von Krankengeld oder Verletztengeld dem Entgeltfortzahlungszeitraum anschließt, ist selten die Frage zu klären, ob der Unfalltag selbst noch zum Anspruchszeitraum für Verletztengeld gehört. Diese Frage beantwortet indes § 46 Abs. 1 SGB VII eindeutig dahingehend, dass Verletztengeld ab dem ersten Tag der Krankschreibung bzw. dem Beginn der Heilbehandlung zu zahlen ist.

Die Arbeitgeber können sich hier beruhigt zurücklehnen. Die vorstehenden Probleme betreffen das Verhältnis des Arbeitnehmers zur Krankenkasse und Berufsgenossenschaft bzw. Krankenkasse und Berufsgenossenschaft untereinander. Aber eine gut informierte Personalabteilung sollte den Mitarbeitern bei der Bewältigung dieser Abrechnungsprobleme behilflich sein können.

Martin Becker
Rechtsanwalt und Mediator, Winfried Becker & Partner, Lemgo